Hamburg – Masern mit 20? Oder Ringelröteln als erwachsener Mann? Beides hat Jana Husemann, Allgemeinmedizinerin und Vorstandsmitglied des Hausärzteverbands Hamburg, in den vergangenen Jahren in der Praxis erlebt.
«Infektiöse Kinderkrankheiten bei Erwachsenen kommen immer wieder vor», sagt sie. Nach Angaben von Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert Koch-Instituts, traten 2017 von den gemeldeten Keuchhusten- und Masernfällen mehr als ein Drittel bei Erwachsenen auf.
Während Kinder Masern, Mumps und Co. besser wegstecken, verlaufen die Krankheiten bei Erwachsenen häufig mit mehr Komplikationen. «Warum Kinderkrankheiten bei Erwachsenen meist einen schwereren Verlauf haben, ist ein bisschen unklar», sagt Prof. Bernd Salzberger aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). «Die Medizin geht davon aus, dass das Immunsystem eines Erwachsenen einfach viel heftiger auf eine solche Infektion reagiert, weil es stärker ist als das eines Kindes.»
Zwar würden Erwachsene mit den sogenannten Kinderkrankheiten meist fertig, «sie fühlen sich aber sehr viel kränker und schlechter», sagt Salzberger. «Windpocken zum Beispiel sind für Kinder schon unangenehm, aber ab dem 20. Lebensjahr möchte man sie wirklich nicht mehr haben. Es gab bei uns im Universitätsklinikum Regensburg sogar Fälle, dass Erwachsene auf der Intensivstation an Windpocken gestorben sind.»
Auch die infektiöse Mononukleose – Pfeiffersches Drüsenfieber – verläuft bei Erwachsenen deutlich schwerer als bei Kindern: «Wenn man die als Kind in den ersten zehn Lebensjahren bekommt, merkt man das kaum. Als Teenager wird man krank, als Erwachsener fällt man häufig komplett aus», sagt Salzberger.
Erwachsene sollten sich der möglichen Komplikationen einer Kinderkrankheit bewusst sein, findet Prof. Erika Baum, Präsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: «Bei Mumps können nach der Pubertät die Hoden befallen werden und zur Sterilität führen, die Röteln bei Schwangeren zu schweren Fruchtschädigungen.» Kinderkrankheiten sind also alles andere als Kinderkram.
Vor den meisten Kinderkrankheiten schützen Impfungen – auch noch im Erwachsenenalter. Vor allem Menschen, die nach 1970 geboren sind, sollten auf jeden Fall ihren Masern-Impfstatus überprüfen, sagt Husemann. In diesen Jahrgängen seien viele Personen nur einmal oder gar nicht geimpft worden.
Das Argument, man habe selbst möglicherweise wenig mit Kindern zu tun und müsse sich daher nicht impfen lassen, lassen die Mediziner nicht gelten: «Ich glaube, es gibt keine Menschen, die von sich klar behaupten können, sie haben überhaupt keinen Kontakt mit Kindern. Da müsste man schon Einsiedler sein», sagt Salzberger.
Allerdings sind nicht gegen alle Kinderkrankheiten Impfungen möglich – gegen Scharlach zum Beispiel gibt es keinen Impfstoff. Vor solchen Infektionen schützt nur: Abstand halten und auf eine gute Handhygiene achten – zumal wenn bekannt ist, dass jemand in der Umgebung an Scharlach erkrankt ist. Das gilt generell bei den sogenannten Kinderkrankheiten. Sie sind nämlich fast alle über Tröpfchen übertragbar. Das heißt: Ein Niesen oder Husten genügt im Zweifelsfall.
Fotocredits: Christin Klose,Tim Brakemeier,Philipps-Universität Marburg,Lopata,Universitätsklinikum Regensburg
(dpa/tmn)