Las Vegas – Blutdruckmessgeräte kennen wohl die meisten. Manschette, Schlauch, Messgeräte, manche haben einen kleinen Computer eingebaut. Doch das war gestern, wie etwa ein Blick auf die Ausstellungsstücke auf der Elektronikmesse CES im Januar in Las Vegas zeigte.
Das Blutdruckmessgerät der Zukunft ist vernetzt und kann dazu noch ein EKG schreiben und die Herzklappen überwachen. Das BPM Core genannte Gerät eines französischen Herstellers ist nur ein Beispiel für die Entwicklung der Medizintechnik-Branche in Richtung Wearables, tragbare Technik also. Gesundheitsgeräte werden zunehmend kleiner, vernetzter und vielseitiger.
Unter Alltagsbedingungen messen
Viele Hersteller mit vielen Geräten für noch mehr Anwendungsfälle kämpfen um die Gunst der Käufer. «Bislang waren das eher Nischenprodukte, aber seit einigen Jahren werden die Produkte auch im Medizinbereich zunehmend kommerzialisiert», hat Oliver Amft festgestellt. Er ist Professor und Leiter des Lehrstuhls für Digital Health an der Universität Erlangen-Nürnberg und sieht den Einsatz von Gesundheitswearables zunächst einmal positiv.
Mit bisherigen Diagnosemethoden konnten Mediziner Messdaten ihrer Patienten überwiegend unter Laborbedingungen erheben. «Die Wearables gehen weiter, weil sie die Möglichkeit bieten, Vitalfunktion, Verhalten und Einfluss von Umweltfaktoren im Alltag zu messen», sagt er. Mit der richtigen Technik könnten Ärzte viel genauer hinsehen und etwa den Blutdruck eines Patienten über Tage und Wochen beobachten.
Prüfen, dokumentieren, entwarnen
Auch Marcel Weigand, Vorstandsmitglied im Aktionsbündnis Patientensicherheit, sieht viele praktische Anwendungsfelder. Kardiologen könnten in den per Wearable und App gesammelten Daten schneller Hinweise auf Herzrhythmusstörungen finden, Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig prüfen und automatisch dokumentieren.
Auch der Wohlfühl-Effekt darf nicht vernachlässigt werden. Fühlt sich etwa ein Herzpatient nicht gut, und die Technik am Handgelenk kann Entwarnung geben, macht das manchen Besuch in der Notaufnahme vielleicht unnötig.
Wie genau sind die Geräte?
Solche Sportuhren, Blutdruckmesser und weitere Geräte gibt es mittlerweile schon für Preise ab knapp über 120 Euro aufwärts. Aber kann man sich auf ihre Messungen verlassen?
Oliver Amft, von Haus aus Elektrotechniker, spricht den Geräten am Markt eine gewisse Genauigkeit zu. Geräte großer Hersteller von Sportuhren, Fitness-Armbändern und ähnlichen Geräten seien sehr gut validiert in ihrem bestimmten Anwendungsbereich. Der Herzschlag etwa könne damit gut erfasst werden. «Mit gut meine ich nicht so genau wie unter klinischen oder Laborbedingungen», schränkt er allerdings ein. Viele der angebotenen Wellness-Wearables seien als Ergänzung zur Gesunderhaltung geeignet – aber eben nicht so präzise wie wesentlich teurere Spezialgeräte.
Zulassungen als Medizinprodukt
Und egal, wie gut sie nun messen oder nicht: Einen Arztbesuch könne das Tragen solcher Geräte nicht ersetzen, sagt Gesundheitswissenschaftler Marcel Weigand. Vielleicht können sie aber zu einem nötigen Arztbesuch animieren.
Aber wie findet man nun heraus, welche Gerät taugt und welches nicht? Das ist gar nicht so einfach, erklärt Oliver Amft. Er rät, auf Zulassungen als Medizinprodukt zu achten. Die sind aber noch eher selten. Einige Hersteller werben etwa mit einer Zertifizierung durch die US-Behörde FDA. Laut Amft ein «ganz guter Hinweis auf eine gewisse Leistungsfähigkeit». Allerdings solle man solche Siegel nicht überbewerten.
Validierungsstudien einsehen
Eine fehlende Zertifizierung muss wiederum kein Hinweis auf schlechte Qualität sein. «Schauen Sie auf die Validierungsstudien», rät Oliver Amft. Manche Hersteller gehen damit sehr offensiv um und belegen die Funktionsversprechen ihrer Geräte. Hält sich ein Unternehmen auf der Website oder auf Nachfrage bedeckt, greift man lieber nicht zu.
Und dann sind da noch die Geräte von eher zweifelhaftem Nutzen. Stichwort Baby-Monitor, den sich werdende Mütter um den Bauch schnallen sollen. Immer dann, wenn ein Hersteller behauptet, sein Gerät könne diverse Krankheitsbilder oder Gesundheitsdaten ermitteln, ist Vorsicht angesagt, sagt Amft. «Da werden Sie schnell feststellen, dass da zu viel behauptet wird, aber wenig nachweisbar ist.»
So sieht das auch Marcel Weigand: «Es wäre vermessen, wenn ein Fitnessarmband behaupten würde, dass darüber Krankheiten erkannt und behandelt werden können», sagt er über Geräte, die angeblich sehr viele Dinge auf einmal können.
Schlimmer noch: Solche Produkte und ihr Einsatz können eher einen gegenteiligen Effekt haben, sagt Weigand und warnt davor, sich ohne Anlass hochzurüsten – nicht nur aus Datenschutzgründen. «Manche Produkte erzeugen eher eine andere Krankheit, nämlich Hypochondrie», sagt der Gesundheitswissenschaftler. «Ich glaube nicht, dass es der Gesundheit zuträglich ist, wenn man ständig das Gefühl hat, jedes Körperteil von mir wird überwacht.»
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(dpa/tmn)