Kiel/Neustadt – Bleich wie eine Wand und richtig übel: Wen während einer Schifffahrt die Seekrankheit erwischt, der leidet. Mancher fühlt sich nur bleiern und antriebslos, andere spucken sich die Seele aus dem Leib und würden am liebsten über Bord gehen. Nicht nur Touristen sind betroffen, sondern auch echte Seebären.
Als Gegenmittel gibt es unter anderem sogenannte Antihistaminika – mit einem Haken. Viele Mittel können müde machen. Mit den vielen Aufgaben einer Schiffsbesatzung ist das nicht vereinbar. Eine mögliche Alternative: Vitamin C. Hinweise, dass dieses Symptome der Seekrankheit lindern kann, gibt es schön länger.
Im Herbst wollen Marine-Mediziner deshalb einen zweijährigen Versuch auf mehreren Fregatten mit Hunderten Soldaten starten, wie Andreas Koch vom Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine erklärt. Einige Soldaten erhalten Kaugummis mit hochdosiertem Vitamin C, andere nicht. «Vitamin C senkt den Histaminspiegel im Körper», erklärt Koch. Histamin ist ein Hormon, mit dem die Seekrankheit in Zusammenhang gebracht wird. Zuviel davon führt zu Übelkeit und Erbrechen.
Was genau Seekrankheit auslöst, ist bei jedem Menschen anders.
«Viele reagieren auf See auf das Rauf und Runter des Schiffs», sagt Koch. «Eine Welle alle fünf Sekunden, die fährt den Menschen in den Magen. Dafür sind die meisten anfällig.»
Marineschiffe können – anders als in manchen Fällen Kreuzfahrtschiffe – Problemzonen nicht immer umfahren. «Es wurde über Situationen berichtet, in denen Schiffe bei wirklich extrem schwerer See bis zu 60 Prozent Ausfälle an Bord hatten», sagt Koch. «Es gab schon Situationen, wo Einsätze unterbrochen werden mussten.» Es habe schlicht nicht mehr genügend einsatzfähiges Personal gegeben.
«Die Brücke ist der schlimmste Ort auf einem Schiff für anfällige Besatzungsmitglieder», sagt Fregattenkapitän Bastian Fischborn (41). Er fuhr sieben Jahre auf einem knapp 60 Meter langen Minenjagdboot, die Hälfte der Zeit als Kommandant. Bei seinen Fahrten auch während eines Einsatzes für die UN-Friedensmission Unifil im Mittelmeer habe er oft die «schiere Macht des Wassers» gespürt. Bei Extremwetter sei es vorgekommen, dass «ein Drittel der Besatzung wegen Seekrankheit eingeschränkt war». Einige gewöhnten sich nie an die Gewalten auf einem relativ kleinen Schiff auf hoher See. «Ich habe schon erlebt, dass Seefahrerkarrieren daran gescheitert sind.»
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(dpa)