Hamburg/Berlin – «Lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.» Diesen Ratschlag hat man im Leben vermutlich genauso oft gehört wie ignoriert.
Denn das Gespräch mit Arzt oder Apotheker mag noch hilfreich sein. Doch der Beipackzettel vieler Medikamente ist oft eher Rätselheft als leichte Lektüre.
Was schade ist, schließlich
beantwortet der Zettel viele wichtige Fragen: Wer darf das Medikament nehmen, wann und wie oft? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Doch viele dieser Infos schaffen es einfach nicht zum Empfänger, sagt Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. «Ich vermute mal, dass neun von zehn Patienten den Beipackzettel nicht lesen.»
Hersteller wollen sich juristisch absichern
Kleine Schrift, Bandwurmsätze, Fachausdrücke: «Die Beipackzettel in ihrer heutigen Form überfordern die Patienten oftmals», sagt Ingrid Dänschel aus dem Vorstand des Deutschen Hausärzteverbands. Grund dafür sei der Versuch der Hersteller, sich juristisch abzusichern.
Tatsächlich gibt es zahlreiche Vorschriften, an die sich Pharmafirmen beim Verfassen der Beipackzettel halten müssen. «Es ist gesetzlich festgelegt, was in den Beipackzetteln drinstehen muss», erklärt Rose Schraitle vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). «Die Angaben müssen auf Deutsch verfasst sein und die Schrift muss gut lesbar sein.» Auch die Reihenfolge der Informationen sei vorgeschrieben, damit sich Patienten schneller zurechtfinden.
Verbraucher und Patienten sollten zumindest einen Teil der Infos in den Beipackzetteln beachten, sagt Apotheker Siemsen. Auch wenn es schwerfällt. «Wichtig auf dem Beipackzettel sind einmal die Kontraindikation, also wann ich ein Medikament nicht nehmen darf.»
Vieles ist missverständlich
Dazu kommt die Anleitung zur Einnahme. Selbst da wird es erklärungsbedürftig: «Auf nüchternen Magen» etwa heißt, dass Patienten vier Stunden nichts gegessen und nur Wasser getrunken haben sollten, wie der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erklärt. Und «mit viel Flüssigkeit zu sich nehmen» bezieht sich auf kaltes oder lauwarmes Wasser, nicht auf Heißes oder Koffeinhaltiges.
Bei den Einnahmehinweisen steht auch, in welchem Rhythmus Patienten wie viel von einem Medikament nehmen sollen. Bei Antibiotika zum Beispiel sind diese Hinweise entscheidend. «Und vergessene Medikamente sollte man auch nicht einfach nachnehmen, sondern immer vorher beim Arzt oder in der Apotheke nachfragen», sagt Siemsen.
Die können auch weiterhelfen, wenn es Fragen zu den Nebenwirkungen gibt – ein Punkt, der gerade bei älteren Medikamenten oft einen größeren Teil des Beipackzettels ausmacht. Denn die Hersteller sind verpflichtet, alle jemals beobachteten Nebenwirkungen eines Medikaments aufzuführen, sagt BAH-Expertin Schraitle. «Auch wenn nur vermutet wird, dass sie auf das Arzneimittel zurückzuführen sind. Das liest sich dann im Ergebnis natürlich manchmal dramatisch.»
Achtung bei den Wechselwirkungen
Siemse empfiehlt in solchen Fällen, sich die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung bewusst zu machen – denn auch die steht ja im Beipackzettel. «Sehr häufig» zum Beispiel hießt übersetzt, dass die Nebenwirkung bei einem von zehn Behandelten aufgetreten sind. Steht dort «sehr selten», war es dagegen nur einer von 10 000.
Etwas kniffliger wird es bei den Wechselwirkungen. Denn die sind für Patienten oft kaum überschaubar. «Bei Medikamenten passiert es halt schnell, dass der Hausarzt was verordnet, dann der Facharzt, und die alle wissen nichts voneinander», sagt Siemsen. «Deshalb ist es schon wichtig, dass es da den Hausarzt gibt, der den Überblick behält.»
Der muss auch die Medikamente kennen, die ein Patient auf eigene Faust kauft und nimmt, sagt Hausärztin Dänschel. Denn diese haben unter Umständen ebenfalls Neben- oder Wechselwirkungen. «Auch ein noch so guter Beipackzettel hebt den Beratungsbedarf nicht auf.»
Fotocredits: Benjamin Nolte,Franziska Gabbert,Christin Klose,Apothekerkammer Hamburg,Bettina Volke
(dpa/tmn)