Verliebtheit als Chemiecocktail

Berlin – Romantik ist schön. Hormonchemie ist besser. Wer am Valentinstag schwer verliebt ist, mag gefühlt auf Wolke Sieben schweben und eine rosarote Brille tragen.

Im Körper aber hat ein streng reguliertes System aus hormonellen Wirkstoffen mit gänzlich unromantischen Namen die Regentschaft übernommen, zum Beispiel Serotonin, Phenylethylamin, Dopamin und Oxytocin.

Wie dieses System in allen Einzelheiten funktioniert, ist noch nicht völlig klar. Denn die meisten dieser Botenstoffe werden auch im Gehirn gebildet. «Dort kann man sie ja nicht durch Blutabnehmen messen», sagt der Bochumer Forscher Helmut Schatz für die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Als Hilfsmittel bleiben spezielle Tomographen, die zumindest die Aktivitäten in einzelnen Hirnarealen aufzeichnen können.

Dennoch wissen Forscher schon einiges über den Chemiecocktail von Verliebten. «Man darf die Hormone aber nicht isoliert betrachten», betont Schatz. «Verliebtheit hängt stark von der Psyche ab. Und auch vom Nervensystem.» Dass die «Chemie stimmen muss», sei aber mit Blick auf Verliebte kein dummer Spruch. Einige Beispiele:

Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch
: Dahinter stecken Dopamin und das «Verliebtheitshormon» Phenylethylamin. Es löst erotisches Interesse aus. Dopamin sorgt zusätzlich dafür, dass sich Menschen Fremden gegenüber mehr öffnen als sonst.

Sehnsucht: Das «Glückshormon» Serotonin, das Menschen gelöster und ausgeglichener macht, hilft auch gegen Depressionen. Bei Verliebten hat es dagegen eine paradoxe Wirkung: Der Spiegel sinkt ab. Es ist der gleiche Effekt, der bei Drogensüchtigen zu beobachten ist. Forscher erklären das damit, dass ein verliebter Mensch den rationalen Blick verliert, sich auf den Partner fixiert – und Entzugserscheinungen bekommt, wenn der oder die Liebste auch nur kurze Zeit fehlt. Doch die Zeit der gleichsam blinden Verliebtheit ist endlich – auch Hormone werden nicht auf ewig in hoher Dosis produziert.

Bindung: Wissenschaftler wiesen bei nordamerikanischen Präriewühlmäusen nach, dass sie das Hormon Oxytocin regelmäßig ausschütten – und ein Leben lang zusammenbleiben. Nordamerikanische Bergwühlmäuse machen das nicht – und wechseln ihre Partner. Beim Menschen wurde das Hormon als Auslöser von Wehen bekannt. Darüber hinaus fördert es die Bindung zwischen Mutter und Kind sowie auch zwischen Partnern. Als «Vertrauenshormon» kann es soziale Beziehungen stärken. Oxytocin hat aber auch eine negative Seite: Es kann bewirken, dass Menschen andere ausgrenzen, die ihnen weniger vertraut sind als die eigene soziale Gruppe.

Küssen: Die Lust darauf entsteht auch durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Hormonen – und hat neben dem Wohlfühleffekt offenbar auch Vorteile für die Gesundheit. Die Pulsfrequenz steigt, der Stoffwechsel verbessert sich. Vielküsser könnten dadurch weniger anfällig für Bluthochdruck und Depressionen sein. Der ausgetauschte Speichel soll gut für das Immunsystem und die Zähne sein, weil antimikrobielle Enzyme Karies und Parodontose vorbeugen. Um tiefe Falten brauchen sich eifrige Küsser weniger Sorgen zu machen. Sie trainieren alle 34 Gesichtsmuskeln auf einmal und straffen ihre Haut. US-Forscher fanden heraus, dass Menschen, die sich morgens mit einem Schmatz von ihren Liebsten verabschieden, beruflich erfolgreicher sind und weniger Unfälle bauen. Laut Umfragen verteilen die Deutschen täglich zwei bis drei Bussis. Mit 70 Jahren haben sie hochgerechnet 76 Tage lang geküsst.

Sex: Er ist keine reine Sache der klassischen Verliebtheitshormone. Auf Sexualität wirken vor allem die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen. Dass Sex gesund sein soll, ist keine Mär. «Bei Männern ist der Sexualakt förderlich. Sie neigen weniger zu Prostatakrebs», berichtet Endokrinologe Schatz. Je nach Aktivität im Bett verbrennen Partner jeweils mehrere hundert Kilokalorien – das entspricht einer halben Tafel gehaltvoller Schokolade. Vom Körper freigesetzte opiumähnliche Substanzen können auch wie Schmerzmittel wirken. «Knie- oder Wirbelschmerzen bei älteren Männern gehen davon aber auch nicht weg», ergänzt Schatz.

Fotocredits: Patrick Pleul
(dpa)

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