Berlin – Freier atmen, erkennbarer lächeln, leichtere Verständigung: Die Vorteile von Visieren als Ersatz für die Alltagsmaske scheinen auf der Hand zu liegen. Doch der Nutzen der Plastikkonstruktionen als Virenbarriere ist umstritten.
Während etwa das Bundesland
Hessen die Gesichtsschilde in seiner Corona-Verordnung ausdrücklich erlaubt, gelten sie in
Baden-Württemberg offiziell nicht als Maskenersatz. Was sagt die Wissenschaft dazu?
BEHAUPTUNG: Visiere helfen gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
BEWERTUNG: Zum Selbstschutz scheinen Visiere ähnlich gut geeignet wie Masken. Allerdings können sich Aerosole wegen der großen Abstände zwischen Visier und Gesicht leichter verbreiten.
FAKTEN: Generell gilt bei der Diskussion um Visiere: Die Datenlage ist relativ dünn, ein abschließendes Urteil dazu gibt es noch nicht. Der Virologe Alexander Kekulé bezeichnete Visiere in einem Podcast des MDR als «genau so gut» wie Stoffmasken. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) sind die Plastikschilde jedoch keine gleichwertige Alternative zur
Mund-Nase-Bedeckung. Und nun?
Wichtig in der Debatte sei, zwischen Fremdschutz und Selbstschutz zu unterscheiden, betont der Virologe Johannes Knobloch, der den Arbeitsbereich Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf leitet.
Beim Selbstschutz sei es durchaus plausibel anzunehmen, dass sich der Nutzen von Visier und Mundschutz in der Waage hält: «Das Visier ist ideal, um sich gegen die klassische Tröpfcheninfektion zu schützen», sagt er. Es diene als Spuckschutz und schütze auch die Augenschleimhäute. Deswegen werde im professionellen Bereich der Mundschutz auch stets um Schutzbrille oder Visier erweitert.
Wenn es hingegen darum geht, andere vor einer Ansteckung zu schützen, sei das Visier dem Mundschutz etwas unterlegen, meint
Knobloch. Eine Einschätzung, die auch das RKI teilt: Die Plastikschilde könnten in der Regel nur die Tröpfchen abfangen, die direkt auf der Scheibe landen, teilt das Institut mit. Ein textiler Mundschutz – insofern er gut anliegt – könne hingegen auch das Vorbeiströmen der Tröpfchen an den Seiten verhindern und die Atemluft abbremsen.
Insbesondere die sogenannten Aerosole – winzige ausgeatmete Partikel, die teils stundenlang in der Luft schweben und dabei Infektionen verursachen können – könnten durch textile Bedeckungen besser aufgefangen werden, sagt Knobloch.
Auch sein Kollege
Kekulé schränkte seine Aussage zur gleich guten Eignung von Visier und Maske ein: Dies gelte nur, wenn man nicht sehr lange mit anderen in geschlossenen Räumen sitze. Nehme man an, dass zwei Personen mit Visier lange miteinander reden, könne es durchaus zu einer Infektion durch solche Aerosole kommen. Noch ist aber nicht abschließend geklärt, wie groß die Rolle von Aerosolen beim Infektionsgeschehen mit Sars-CoV-2 ist.
Sinnvoll findet Knobloch die durchsichtigen Visiere insbesondere in Alltags-Situationen, bei denen Mimik eine Rolle spielt: «Gespräche mit Hörgeschädigten sind so zum Beispiel viel besser durchführbar».
Und auch wenn das RKI Visiere skeptisch sieht: Wer aus medizinischen oder anderen triftigen Gründen keinen Mundschutz tragen könne, zeige durch das Tragen eines Visiers, «dass er die derzeit getroffenen Maßnahmen für die Bevölkerung unterstützt und dadurch einen, vielleicht auch nur minimalen, Beitrag leisten möchte», heißt es auf der Homepage des Instituts.
Fotocredits: Daniel Mears
(dpa)