So funktioniert die Vorsorge für Kinder

Tübingen – Kaum ist es auf der Welt, muss ein Baby gleich zum Arzt. Und wenige Tage danach gleich zum nächsten Mal, ein paar Wochen später erneut – und dann immer wieder.

Vorsorge-Untersuchungen sind in den ersten Lebensjahren Alltag für Eltern und Kinder. Zehn Stück gibt es, dazu Impftermine und erste Zahnarzt-Besuche. Doch warum eigentlich?

Dafür gibt es mehrere Gründe, sagt Prof. Ingeborg Krägeloh-Mann, Ärztliche Direktorin der Universitätskinderklinik Tübingen. «Bei den Vorsorgeuntersuchungen geht es vor allem darum, Krankheiten und Entwicklungsstörungen möglichst früh zu entdecken», erklärt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). «Denn oft ist es so, dass die Aussichten auf eine Heilung besonders groß sind, wenn die Krankheit frühzeitig entdeckt wird.»

Erkrankungen früh erkennen

Kinder werden beim U-Termin zum Beispiel immer gemessen und gewogen. Ist das Kind für seine Größe zu leicht, kann das ein Hinweis auf eine Unverträglichkeit sein – Zöliakie etwa. «Und dann kann man eingreifen, bevor sich daraus wirklich schwere Krankheiten entwickeln», sagt Krägeloh-Mann.

Allerdings zeigt sich an diesem Beispiel, wie knifflig die Früherkennung von Krankheiten ist: Die frühen Symptome sind bei Kindern oft unspezifisch. Längst nicht jedes Leichtgewicht hat eine Unverträglichkeit. «Das kann auch einfach daran liegen, dass ein Kind nicht so gerne essen möchte», erklärt Krägeloh-Mann. «Und das braucht dann eine ganz andere Intervention.»

U1 bis U6 sind dabei im ersten Lebensjahr vorgesehen. Am Ende des zweiten folgt die U7, am Ende des dritten die U7a, die vor einigen Jahren neu eingeführt wurde. Ein Jahr später geht es zur U8, und ab dem fünften Geburtstag zur U9.

Entwicklung des Kindes prüfen

Bei der Vorsorge geht es aber nicht nur um die körperliche Entwicklung, sondern auch um die geistige und motorische. «Der Arzt fragt nach bestimmten Meilensteinen der Entwicklung – ob das Kind schon frei steht zum Beispiel», erklärt Krägeloh-Mann. Auch das soll helfen, Krankheiten und Entwicklungsstörungen früh zu entdecken.

Für besorgte Eltern ist die Frage nach Entwicklungs-Meilensteinen natürlich ein willkommener Anlass, sich verrückt zu machen. Frei nach dem Motto: «Morgen ist U6, aber das Kind krabbelt noch nicht.» Das ist allerdings genau falsch. Die U ist schließlich keine Prüfung – auch wenn manche den Eindruck haben.

«Es gibt bei der Entwicklung von Kindern keinen Fahrplan und keine feste Reihenfolge», sagt Bettina Lamm vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung. «Manche krabbeln erst und sitzen dann, bei anderen ist es umgekehrt.» Und einige Kinder krabbeln nie, sondern robben nur – und laufen danach gleich.

Das wissen die Kinderärzte bei der Vorsorge, erklärt Krägeloh-Mann. Beispiel freies, stabiles Gehen: Mit 18 Monaten beherrschen 90 Prozent der Knirpse das. «Wenn ein Kind das dann noch nicht kann, heißt es aber nicht automatisch, dass da eine Krankheit vorliegt», sagt die Expertin. «Die Wahrscheinlichkeit ist aber höher, dass es ein Problem gibt.» Deshalb werde dann genauer hingeschaut.

Kein Grund zur Beunruhigung

Eltern müssen sich also keine Sorgen machen, wenn ihr Kind bestimmte Sachen noch nicht kann oder sich mit allen Entwicklungen etwas mehr Zeit lässt. «Es gibt Kinder, die überall schnell sind, es gibt Kinder, die überall eher langsam sind», sagt Lamm.

Ob das Entwicklungstempo Auswirkungen auf spätere Fähigkeiten hat, sei bisher zwar kaum untersucht, so die Expertin. «Man kann aber auf keinen Fall sagen, dass Kinder, die mit neun Monaten schon laufen, später auch die besten Sportler werden – genau wie die, die erst später laufen, nicht automatisch unsportlich sind oder so.»

Wer sich unsicher ist, kann aber beim Arzt nachhorchen – denn auch dafür ist die Vorsorge da, sagt Krägeloh-Mann. Schließlich gibt es im Eltern-Alltag viele kleine Fragen, für die sich niemand gleich ins Wartezimmer setzt. Die schreibt man also am besten auf und stellt sie zum U-Termin gebündelt.

Und dann gibt es noch einen eher unschönen Grund für Vorsorgeuntersuchungen: Eventuell lässt sich dabei prüfen, ob ein Kind vernachlässigt wird. «Das ist auch eine Verpflichtung der Gesellschaft, mit auf Kinder aufzupassen, bei denen die Eltern das nicht können» sagt Krägeloh-Mann. «Und über Kinderärzte ist ein möglicher Weg, wie das passieren kann.»

Regeln rund um die U

Kinder haben einen gesetzlichen Anspruch auf die zehn Vorsorgeuntersuchungen. Das bedeutet unter anderem, dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen – genau wie für empfohlene Impfungen. Hinzu kommen bis zum sechsten Geburtstag insgesamt sechs Zahnarzt-Besuche zur Früherkennung von Karies auf Kassenkosten.

Voraussetzung für die Kostenübernahme bei U-Terminen ist aber, dass Eltern sich an die vorgegebenen Zeitspannen halten. Darauf weist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.kindergesundheit-info.de hin.

Eine gesetzliche Pflicht zum Besuch der Untersuchungen gibt es zwar nicht. In einigen Bundesländern werden Eltern aber per Post an die Teilnahme erinnert. Und wenn jemand nicht zur Vorsorge erscheint, schaut eventuell das Jugendamt vorbei. Kitas oder Schulen können zudem einen Beleg über die Teilnahme an den Untersuchungen verlangen. Dafür müssen Eltern aber nicht das gesamte gelbe Heft herausrücken, das die Ergebnisse der Untersuchungen dokumentiert. Die herausnehmbare Teilnahmekarte reicht aus.

Fotocredits: Andrea Warnecke,Bodo Marks,Patrik Metzger
(dpa/tmn)

(dpa)
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