Los Angeles – Zu HipHop-Klängen, zwischen Haarewaschen und Ausrasieren hat Friseur Corey Thomas eine Botschaft an seine afroamerikanischen Kunden parat: «Pass auf, was du isst. Check deinen Blutdruck. Und geh das Leben locker an.»
Thomas ist Inhaber eines Barber Shops in Inglewood (Kalifornien) und Teil einer ungewöhnlichen Kampagne, über die auch die
«Washington Post» jüngst berichtete: Er klärt seine Kundschaft beim Haareschneiden über die Gefahren von Bluthochdruck auf, in entspannter Plauderatmosphäre und mit Blutdruckmessgerät in Reichweite.
Zusammen mit rund 50 weiteren Friseurläden im Raum Los Angeles hat Thomas 2016 bei einer
Studie mitgemacht, die kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde und erstaunliche Erfolge zeigte. Ärzte und Apotheker arbeiteten mit den Friseuren dabei Hand in Hand, um die größte US-amerikanische Risikogruppe für Bluthochdruck ins Visier zu nehmen: Afroamerikanische Männer. Diese gehen deutlich seltener zum Arzt als Weiße oder Latinos. Hinzu kommt: Bluthochdruck, der unter anderem zu schweren Herz- und Nierenschäden führen kann, bemerkt man ohne Diagnose nicht.
Der Friseurladen in der Nachbarschaft könnte der richtige Ort sein, an dem man offen über Gesundheit reden und das Bluthochdruck-Problem angehen kann, hofften die Forscher vom Cedars Sinai Krankenhaus in Los Angeles. Und ihre Hoffnung bestätigte sich. Vor allem dann, wenn Apotheker – mit besonderer Befugnis von Ärzten versehen – Blutdrucksenker gleich vor Ort verschrieben und ausgaben.
Insgesamt 319 Friseurkunden, allesamt mit einem Blutdruck oberhalb des systolischen Grenzwerts für Bluthochdruck von 140 mmHG, machten bei dem sechsmonatigen Versuch mit. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe wurde zusätzlich zu den Infos vom Friseur einmal pro Woche von einer Apothekerin im Shop unterstützt und bekam dort passende Medikamente. Die zweite Gruppe erhielt nur die Infos und wurde aufgefordert, zum Arzt zu gehen.
Das Ergebnis: In der ersten Gruppe sank der Blutdruck im Durchschnitt um satte 27 mmHG auf einen Basiswert von 128 mmHG. 90 Prozent der Gruppe lag schließlich unterhalb des Grenzwerts. In der zweiten Gruppe ging der Blutdruck auch zurück – aber nur um durchschnittlich neun mmHG auf 145 mmHG. Ein Drittel dieser Gruppe schaffte es dauerhaft unter den Grenzwert.
Grundsätzlich sei ein solcher niedrigschwelliger Ansatz auch in Deutschland denkbar und sinnvoll, sagt Joachim Hoyer, Klinik für Nephrologie am Universitätsklinikum Marburg. «Auch hier gibt es Betroffene, die nichts von ihrem Bluthochdruck wissen und selten zum Hausarzt gehen.» Allerdings dürfen Apotheker in Deutschland nicht eigenständig Blutdrucksenker ausgeben.
Vor allem ältere, übergewichtige Menschen seien in Deutschland von Bluthochdruck betroffen, ergänzt Bernhard Krämer, Präsident der
Deutschen Hochdruckliga im Vorfeld des Welt-Hypertonie-Tages am 17. Mai. Bis zu 50 Prozent der Patienten würden die Medikamente nicht wie vorgesehen einnehmen. Über Apotheken, Infomagazine wie die «Apothekenumschau», aber auch Hausärzte versuche man, sie zu erreichen.
Und gehören auch Ernährungstipps dazu, so wie Corey Thomas sie im Friseursalon beim Nackenrasieren erteilt? «Übermäßiger Salzkonsum sollte auf jeden Fall vermindert werden. Vergleichbar sinnvoll sind Gewichtsreduktion, eine Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, fettarmen Molkereiprodukten ist sowie Ausdauertraining», erläutert Krämer.
Fotocredits: Heidi De Marco
(dpa)