Ein Überbein muss nur selten operiert werden

München – «Bibelzyste» nannte man früher die höckerartigen Geschwulste: Sie treten typischerweise am Handgelenk auf, können aber grundsätzlich an jedem Gelenk entstehen.

Die älteste überlieferte Therapie, um ein sogenanntes Überbein loszuwerden, bestand darin, mit einer Bibel so fest darauf zu schlagen, dass es zerplatzte. Anders als der Name Überbein – Mediziner sprechen vom Ganglion – vermuten lässt, handelt es sich dabei nämlich nicht um einen Knochen, sondern um eine Ansammlung von Flüssigkeit.

Kai Megerle, Handchirurg am Klinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München, rät von solchen brachialen Methoden allerdings dringend ab. «Erstens besteht die Gefahr, sich zu verletzen, und zweitens kommt das Ganglion danach meistens sehr schnell wieder, da man die Ursache so nicht beseitigt.» Er empfiehlt, erst einmal abzuwarten, ob die Ausstülpung Beschwerden verursacht und ob sie von selbst wieder weggeht. Denn Ganglien sind völlig ungefährlich, tun nur selten weh und verschwinden häufig genau so spontan, wie sie gekommen sind.

«Es bildet sich, wenn bei Belastung Gelenkflüssigkeit aus dem Gelenk herausgepresst wird», sagt Bernhard Rozée von den Orthopädischen Fachkliniken der Hessing Stiftung in Augsburg. Durch eine Art Ventilmechanismus am Ganglion kann die Flüssigkeit nicht wieder in das Gelenk zurückfließen und formt sich zu einem harten Knubbel. Wie Rozée erklärt, sei die Art der Belastung dabei nicht entscheidend.

Für die meisten Betroffenen ist ein Ganglion ein ästhetisches Problem. Wenn die Ausstülpung allerdings auf einen Nerv oder eine Sehne drückt, kann das schmerzhaft sein. Manchmal behindert es auch beim Arbeiten oder beim Schreiben. «In solchen Fällen muss man etwas unternehmen», sagt Rozée. Eine Entlastung des Gelenks, beispielsweise durch eine Schiene, kann vorübergehend helfen. Wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum bestehen und das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen, raten die Ärzte zu einer Operation.

«Vor einer Operation sollte man aber mindestens drei Monate, besser noch sechs Monate warten, ob das Ganglion nicht doch von allein verschwindet», erklärt Rozée. Denn auch eine Operation kann das Problem nicht in allen Fällen lösen. Bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen kommt das Überbein anschließend wieder.

Wer ein Ganglion aus ästhetischen Gründen entfernen lassen möchte, sollte sich klar darüber sein, dass eine Narbe bleibt, sagt Prof. Jörg van Schoonhoven, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie und Chefarzt am Rhön-Klinikum in Bad Neustadt an der Saale. Von der scheinbar sanfteren Methode einer Punktion rät er ab. Dabei sticht man mit einer Nadel in die Ausstülpung und saugt die Flüssigkeit ab. «In der Regel kommt das Ganglion danach sehr schnell wieder. Außerdem besteht die Gefahr einer Infektion, wenn von außen Keime in das Gelenk gelangen.» Megerle warnt: «Eine Infektion nach einer Punktion kommt zwar sehr selten vor, aber wenn es passiert, drohen dauerhafte Schmerzen und Einschränkungen der Beweglichkeit.»

Manchmal treten Ganglien auch bei älteren Menschen auf, die einen fortgeschrittenen Gelenkverschleiß haben, also eine Arthrose. In solchen Fällen muss man die Arthrose behandeln, nicht das Ganglion, sagt Chirurg van Schoonhoven.

Fotocredits: Kai Megerle,Andrea Warnecke,Andrea Warnecke
(dpa/tmn)

(dpa)
Zurück Bei abgebrochenem Zahn immer schnell handeln
Vor Braille-Schrift noch immer alternativlos