Gusow – Marika Ruft schwört auf Wermut, Löwenzahn und Schafgarbe. «Diese Pflanzen befördern die Verdauung. Die Bitterstoffe darin nehmen den Appetit auf Süßes», erzählt die 57-jährige Bäckerin aus Gusow (Märkisch-Oderland).
Gerade dieser Umstand sei für sie sehr wichtig, betont Ruft, die sich seit ihrer Diabetes-Erkrankung intensiv mit Heilpflanzen beschäftigt und inzwischen sogar Brennnesseln etwas Gutes abgewinnen kann. «Die sind super für die Entwässerung des Körpers. Als Tee in Kombination mit Pfefferminze und Apfelstücken kann man sie durchaus genießen.»
Als bei Ruft vor zwei Jahren Diabetes, Typ 2, festgestellt wurde, bekam sie vom Arzt jede Menge Medikamente, aber kaum Antworten. «Dafür war der erhobenen Zeigefinger» überall, beschreibt sie. «Diese auch Zuckerkrankheit genannte Erkrankung entsteht ja meist durch ungesunde Ernährung, Übergewicht und mangelnde Bewegung.» Also sei ja jeder Erkrankte praktisch selbst dran schuld. Ruft wollte etwas für sich und ihren Körper tun, nicht nur Medikamente schlucken. Zupass kam ihr da der Gemeinschaftsgarten des Vereins
«Über Land» auf dem heimischen Grundstück. Der Verein mit derzeit zwölf Mitgliedern war Ende 2014 entstanden. «Damals fungierte ich als Dorfkümmerer und fand Gleichgesinnte für Projekte, um das Dorfleben schöner und interessanter zu machen», erzählt Dietmar Ruft.
Eine dieser Ideen war neben einem «Kost-Nix»-Laden und einem Repair-Café der Gemeinschaftsgarten. «Wir wollten das Thema Gesunde Ernährung praktisch erlebbar machen», sagt der 58 Jahre alte Hausherr. Durch die Erkrankung seiner Frau wurde daraus auf 300 Quadratmetern mehr und mehr ein Schaugarten für Heilpflanzen. Großes Vorbild dabei ist der Journalist und Marketingexperte Hans Lauber aus Köln. Nach eigener Erkrankung vor sechs Jahren initiierte er auch in Kooperation mit Biologen und Medizinern die ersten
Diabetes-Gärten im schweizerischen Basel, in Frankfurt/Main und in Lübeck, um zu zeigen, wie «Zucker natürlich zu zähmen sei», wie er sagt. Zudem hat Lauber bereits mehrere Bücher zu Chancen und Risiken der Naturapotheke veröffentlicht, die Diabetes-Behandungen unterstützt.
Dass die Rufts sein Konzept nun übernehmen, kann er nur begrüßen. «Diese Gärten sind ein wichtiges Mittel der Aufklärung und Prävention. Betroffene bekommen Hinweise, mit welcher Ernährung sie ihren Typ-2-Diabetes bekämpfen können, ihre Lust an der Heilkraft aus der Natur wird geweckt», meint er. Jahrhunderte alte Erfahrungen aus der Natur zu nutzen sei grundsätzlich ein guter Ansatz, sagt Steffen Hampel, Leiter des Gesundheitsamtes Märkisch-Oderland. Allerdings: Nur weil es grün ist, sei es nicht unbedingt gesund. «Was da wirkt, sind ebenfalls chemische Substanzen – und die haben Nebenwirkungen, über die aber häufig nicht gesprochen wird», warnt Hampel und nennt Leberschäden, Phototoxie oder Allergien als Beispiel. Was bei Diabetes, einer chronischen Stoffwechselerkrankung, wirklich helfe, seien Bewegung und eine Ernährungsumstellung, stellt er klar.
Das kann Marika Ruft bestätigen. «Ich habe meine Ernährung umgestellt, gehe dreimal die Woche zum Sport und wiege deutlich weniger als vor zwei Jahren», sagt die Gusowerin, die ihr Wohlbefinden und die besseren Blutzuckerwerte aber auch den Heilpflanzen zuschreibt. «Lauber beschreibt und empfiehlt 50 davon, wir haben 40 im Garten», erklärt Dietmar Ruft stolz. Die meisten wurden in Hochbeete gesetzt, alle sind beschildert, mit Namen und möglicher Wirkung. Denn viele würden Pflanzen wie Pfefferminze, Arnika oder Hopfen zwar kennen, aber ihre Wirkung nicht.
Gedacht sei der Garten in erster Linie als Austauschmöglichkeit für Betroffene, die sich häufig allein gelassen fühlen, wie die Gusowerin am Anfang ihrer Erkrankung. Marika Ruft ist inzwischen Expertin beim Anfertigen von Tinkturen, Salben und Tees, gibt dieses Wissen gern an Besucher weiter, veranstaltet auch Kräuterwanderungen. Künftig will der Verein «Über Land» mit der Abteilung Diabetologie im Krankenhaus Strausberg (Märkisch-Oderland) enger zusammenarbeiten, um ab dem nächsten Frühjahr fachlich fundierte Seminare und Fachvorträge anbieten zu können.
Fotocredits: Patrick Pleul
(dpa)