Bad Kreuznach – Ein Kind klagt jeden Abend über Bauchschmerzen. Das andere rennt ständig zum Pipimachen auf die Toilette, wieder ein anderes kann auf einmal nicht mehr gut sehen. Nicht immer haben solche Auffälligkeiten körperliche Ursachen. Dahinter kann auch die Seele stecken.
Trotzdem tun Eltern gut daran, erstmal einen Termin beim Kinderarzt zu machen. «Für uns als Kinder- und Jugendpsychiater gilt immer: Körperliche Ursachen ausschließen, erst dann an Symptome einer psychischen Störung denken und eine entsprechende Behandlung abwägen», sagt Kinder- und Jugendpsychiaterin Beate Kentner-Figura, Chefärztin in einer Rehabilitationsklinik für Psychosomatik in Bad Kreuznach.
Körperliche Ursachen zuerst ausschließen
Klagt ein Kind vermehrt über Bauchweh, sollte ein Arzt zuerst organische Ursachen ausschließen. Und wenn er nichts findet? Bildet sich das Kind die Beschwerden dann ein? Nein, sagt Gunter Flemming, Oberarzt in der Kinder-Gastroenterologie der Universitätskinderklinik Leipzig. «Wichtig ist, dass man das nicht abtut. Denn die Patienten empfinden den Schmerz. Die Schmerzursache wird nur im Kopf falsch interpretiert.»
Ärzte vermuten, dass Angst oder Stress durch die Aktivierung bestimmter Nervenbahnen Bauchschmerzen auslösen können. Eltern sollten den Fokus nicht auf die Schmerzen richten, sondern für Ablenkung sorgen.
Nach anderen Ursachen suchen
Außerdem gilt es zu überlegen, ob es etwas im Umfeld des Kindes gibt, was es ängstigt. Wer an der Ursache etwas verändert, beseitigt in vielen Fällen auch das Bauchweh. Eine große Hilfe kann schon sein, wenn Eltern ihrem Kind den Rücken stärken.
Auch bei einem Reizdarm liegt keine organische Krankheit vor. Hier werden normale Dehnungsreize im Darm im Gehirn falsch interpretiert. Kinder und Eltern müssen letztlich lernen, damit im Alltag zu leben. «Vielen hilft es schon zu wissen, dass in ihrem Körper nichts Schlimmes stattfindet, obwohl dieses Empfinden da ist», sagt Flemming.
Sehstörungen bis Hustenattacken
Auch vermeintliche Sehstörungen kommen bei Kindern vor. Klagt das Kind, dass es die Wörter an der Tafel nicht mehr lesen kann, führt der Gang zum Augenarzt. Was aber, wenn der keine Sehschwäche oder eine Erkrankung am Auge feststellen kann? Prof. Helmut Wilhelm hat jede Woche mindestens solch ein Kind in der Sprechstunde. Der Experte der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) ist Oberarzt an der Augenklinik Tübingen.
«Es kann sein, dass ein Kind erstmal schlichtweg simuliert, um ein Versagen zu erklären oder einen Vorteil zu erreichen», sagt Wilhelm. «Das kann sich so verfestigen, dass es gar nicht mehr weiß, dass es simuliert. Oder dass es ihm von vornherein nicht bewusst ist, dass es falsche Angaben macht.»
Das Kind ernst nehmen
Wichtig ist in solchen Fällen, dass Eltern ihr Kind ernst nehmen statt ihm vorzuwerfen, es wolle sie täuschen. «Was geschickt sein kann: Man macht eine Scheintherapie mit einem ganz harmlosen Medikament, um vielleicht auch dem Kind eine Brücke zu bauen, aus der Situation wieder herauszukommen», rät Wilhelm. Neben Sehstörungen und Bauchschmerzen können auch Kopfschmerzen und unerklärliche Hustenattacken psychisch bedingt sein.
Kentner-Figura rät Eltern, aufmerksam und zugewandt zu sein, und trotzdem zunächst gelassen zu reagieren. Kann eine körperliche Erkrankung ausgeschlossen werden, sollten Eltern entscheiden, ob sie professionelle Hilfe suchen. «Wenn man als Familie sagt: All unsere Lebensbereiche sind betroffen wegen der Symptome, besteht eine Behandlungsbedürftigkeit.»
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(dpa/tmn)