Hamburg – In den Finger pieken, Blutzucker messen, dann das Hormon spritzen – und hoffen, dass man sich nicht verrechnet hat. So oder so ähnlich sieht der Alltag vieler Menschen mit Diabetes Typ 1 aus. Moderne Technik kann das Leben eines Diabetikers aber erheblich erleichtern.
In Deutschland leben mehr als sechs Millionen Menschen mit Diabetes. Ungefähr 300 000 davon haben Diabetes Typ 1 und müssen Insulin spritzen. Bei gesunden Menschen stellen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse dieses Hormon her. Es wird zum Beispiel ausgeschüttet, wenn der Mensch etwas gegessen hat. Bei Menschen mit Diabetes Typ 1 funktioniert dieses System nicht mehr. Ihr Immunsystem richtet sich fälschlicherweise gegen die Inselzellen und zerstört sie. Sind nur noch sehr wenige insulinproduzierende Zellen übrig, muss der Betroffene Insulin spritzen.
Das hört sich einfach an, ist aber einigermaßen lästig und kompliziert. Zudem besteht die Gefahr von Fehlern, die zu Über- oder lebensbedrohlichen Unterzuckerungen führen können. Ein Stück weit vorbeugen lässt sich dem durch eine kontinuierliche Glukosemessung (CGM). Dafür platziert der Patient mit einer Stechhilfe eine dünne Nadel mit einem Sensor unter der Haut. Alle fünf Minuten misst der Sensor den Zuckerwert im Unterhautfettgewebe, rund um die Uhr.
«So sehen die Patienten nicht nur ihren aktuellen Glukosewert, sondern auch, wie er in der Vergangenheit war und wie er sich entwickelt», erklärt Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe. Wer auf so ein CGM-System umsteigen möchte, kann sich vom behandelnden Diabetologen beraten lassen.
Die Messung des Zuckerspiegels ist aber nur das eine. Wie wäre es, wenn der Sensor auch noch die Insulinzufuhr übernehmen würde? «Viele Typ-1-Diabetiker träumen schon lange von einem Closed-Loop-System», sagt Prof. Hans-Georg Joost, der bis zu seiner Pensionierung wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) war.
Die Idee: Der Sensor unter der Haut misst nicht nur den Zuckerspiegel, er versorgt den Körper über eine Pumpe auch stets mit der richtigen Menge Insulin. Noch ist das Zukunftsmusik. Allzu lange dauert es aber wohl nicht mehr, bis der Traum in Erfüllung geht: In den USA sind erste Systeme bereits auf dem Markt, in Europa soll es 2018 soweit sein.
Von einer solchen Lösung träumen auch Ärzte und Wissenschaftler an der Dresdner Uniklinik. Allerdings unterscheidet sich ihr Ansatz erheblich von den Closed-Loop-Systemen, erklärt Barbara Ludwig. Sie arbeitet am einzigen deutschen Zentrum für klinische Inseltransplantation. Dort setzen sie und ihr Team Menschen mit schwerem Diabetes Typ 1, die sich auf herkömmlichem Weg nicht einstellen lassen, Inselzellen von Spendern ein.
Um an diese Zellen zu gelangen, benötigt Ludwig allerdings eine komplette gesunde Bauchspeicheldrüse. Wissenschaftler überlegen daher schon lange, ob man nicht Inselzellen von anderen Säugetieren nehmen könnte – vom Schwein etwa. Setzt man einem Menschen Inselzellen vom Schwein ein, erkennt sein Immunsystem diese jedoch als fremd. Dieses Problem versuchen die Dresdner momentan zu lösen. Sie haben ein kleines Kästchen entwickelt, das Inselzellen vor einem Angriff des Immunsystems schützt.
«Ein Vorteil dieser Art künstlicher Bauchspeicheldrüse ist der Ersatz natürlicher Zellen, die Insulin produzieren und gleichzeitig den Blutzucker messen», sagt Ludwig. Gedacht ist der Bioreaktor im ersten Schritt für Menschen, die bisher immer wieder mit schweren Unterzuckerungen zu kämpfen haben. «Bis das Ganze beim Menschen zum Einsatz kommt, wird es aber noch dauern», sagt die Ärztin.
Hilfsangebot für Familien
Haben Eltern Diabetes Typ 1 oder bereits ein Kind mit dieser Erkrankung, können sie bei einem Neugeborenen das Diabetes-Risiko überprüfen lassen. Sie wenden sich dafür am besten an eins der teilnehmenden Studienzentren, zum Beispiel das Institut für Diabetesforschung am Münchner Helmholtz Zentrum.
In Sachsen und Bayern gibt es das Angebot der Diabetes-Früherkennung sogar für alle Säuglinge – unabhängig von der familiären Vorbelastung. Der Test wird dort entweder im Rahmen des Neugeborenen-Screenings in der Geburtsklinik oder bis zum Alter von vier Monaten beim Kinderarzt durchgeführt.
Stellt sich bei dem freiwilligen Bluttest heraus, dass das Kind ein erhöhtes Diabetes-Risiko hat, wird die Familie zunächst beraten, erläutert Julia Groß vom Münchner Helmholtz Zentrum. «Ein positiver Gentest heißt noch nicht, dass das Kind später erkrankt», betont sie. Entwickelt es tatsächlich einen Diabetes Typ 1, haben Eltern und Kinder auf diese Weise aber die Chance, sich in Ruhe mit der Krankheit auseinanderzusetzen und die Therapie gut zu planen.
Fotocredits: Klaus-Dietmar Gabbert,Medizinische Fakultät TU Dresden,Werner Schuering
(dpa/tmn)