Leben nach dem Krebs: Nachsorgeprogramm für junge Patienten

Hamburg – Es beginnt mit einem Reizhusten, der nicht weggehen will, leichten Atembeschwerden und Erschöpfungszuständen. Seine Mutter drängt Ivo Wedemann schließlich dazu, zum Arzt zu gehen. Es folgen eine Reihe von Tests in verschiedenen Kliniken, bis die Diagnose gestellt wird: Ivo hat Leukämie.

An das Datum erinnert sich der 20-Jährige noch ganz genau. «Es war der 8. August 2014», erzählt der Lüneburger. Dass er eine so schwere Erkrankung überstanden hat, ist dem jungen Mann mit dem Kinnbart nicht anzusehen. Er hat wache Augen, wirkt fit und gesund.

Nach der Diagnose fängt der damals 17-Jährige am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sofort mit einer Chemotherapie an. Sie dauert insgesamt zwei Jahre und hat starke Nebenwirkungen. «Im ersten Jahr war ich deswegen fast die Hälfte der Zeit im Krankenhaus», berichtet Ivo. Wegen einer Mundschleimhautentzündung musste er einen Monat über einen Tropf ernährt werden. «Schon mein eigener Speichel verursachte ein starkes Brennen in meinem Mund», erzählt der junge Mann.

Heute gilt Ivo als geheilt. Am UKE nimmt er am «CARE for CAYA»-Krebsnachsorgeprogramm teil. «CAYA» steht für «Children, Adolescents and Young Adults», also für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Wer früh von der Krankheit betroffen ist – das UKE-Programm rechnet Patienten bis 39 Jahre dazu – ist besonders gefährdet, von Spätfolgen der Therapie betroffen zu sein. In der «CAYA»-Sprechstunde kümmern sich mehrere Ärzte aus Pädiatrie und Erwachsenenmedizin, zwei Sporttherapeuten, ein Ernährungsberater sowie zwei Psychoonkologen um die Patienten.

Anlass für das Programm sei die Sicherstellung der dauerhaften medizinischen Nachsorge gewesen, sagt Alexander Stein, stellvertretender Leiter des Krebszentrums am UKE. «Die jugendlichen Patienten etwa fallen mit dem Erreichen der Volljährigkeit aus der Nachsorge durch Ärzte der Pädiatrie heraus und gehen dann häufig verloren.» Die Nachsorge laufe dann häufig über den Hausarzt, manche Patienten nähmen sogar keine Nachsorge mehr wahr.

Viele Patienten hätten aber nach der Therapie psychische Schwierigkeiten und Probleme, in den Alltag zurückzufinden, erzählt der 37-jährige Mediziner. Ehemalige Krebspatienten bekämen außerdem zum Beispiel Herz-Kreislauf-Probleme oder Lungenfunktionsstörungen – deutlich früher als die Normalbevölkerung. Frühzeitige Prävention wie Sport oder gesunde Ernährung seien daher besonders wichtig. «Damit kann man die drohenden langfristigen Nebenwirkungen zwar vielleicht nicht verhindern, aber zumindest minimieren», erklärt Stein.

Interesse an der Sport- und Ernährungsberatung hätten fast alle Patienten, am psychoonkologischen Angebot hingegen nur einige. Auch Ivo hat bereits die Ernährungsberatung in Anspruch genommen. «Das hat mir sehr geholfen. Ich lege zwar nicht komplett Wert auf die Ernährung, aber ich weiß, wie ich es idealerweise machen sollte und versuche, darauf zu achten», erzählt er. Wichtig sei, immer wieder zu kontrollieren, ob die Patienten am Ball bleiben, sagt Stein. «Das Ernährungsverhalten ein, zwei Jahre nach der Behandlung ist aufgrund verschiedener Ursachen, wie beispielsweise Geschmacksverlust in Folge der Chemotherapie, eher schlechter als das in der Normalbevölkerung.»

Die Sportberatung konnte Ivo noch nicht wahrnehmen. Durch die intensive Cortison-Behandlung habe er Löcher in den Knochen bekommen, sagt er. «Sie müssen sich erst regenerieren.» Am Nachsorgeprogramm gefalle ihm, dass er jederzeit einen Ansprechpartner habe. «Besonders in Alltagssituationen sichere ich mich noch einmal ab, wie ich mich am besten verhalten sollte», berichtet Ivo. Die psychoonkologische Beratung dagegen habe er bisher nicht in Anspruch genommen. «Ich will niemanden damit belasten, auch wenn ich weiß, dass die Leute das hauptberuflich machen und dafür da sind.»

Gerade hat das UKE für das
«CAYA»-Programm eine Förderzusage von 3,1 Millionen Euro des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses erhalten. «Das Programm beinhaltet eine Studie, die die Wirksamkeit der Lebensstil- und psychoonkologischen Interventionen zeigen muss», erzählt Stein. Bei positiven Ergebnissen werde das Programm in die Regelversorgung der Krankenkassen übernommen.

Ivo macht derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Grundschule. Was er sich für die Zukunft erhofft? «Ich wünsche mir natürlich, dass der Krebs nicht mehr wiederkommt und dass sich die Knochen in den nächsten ein, zwei Jahren komplett wieder regenerieren.» Zu anderen Patienten aus seiner Therapiezeit habe er nur noch vereinzelt Kontakt. «Ich will nicht mehr die ganze Zeit an die Krankheit erinnert werden und nun nach vorne blicken.»

Fotocredits: Christophe Gateau
(dpa)

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