Hamburg – Als das dritte Baby unterwegs war, entschied sich Johann Brandner (Name von der Redaktion geändert) zu einem radikalen Schritt – genauer gesagt einem Schnitt. Er ließ von einem spezialisierten Chirurgen beide Samenleiter durchtrennen.
In der medizinischen Fachsprache heißt dieser Eingriff Vasektomie. Es ist eine Möglichkeit für den Mann, sicher zu verhüten. Vielen erscheint die Sterilisation allerdings zu endgültig. Dabei gibt es durchaus Wege, trotzdem später noch ein Kind zu bekommen.
«Es gibt verschiedene Gründe, die einen Mann dazu motivieren, sich sterilisieren zu lassen», sagt Prof. Frank Sommer, Klinikdirektor der Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf
(UKE). Manch einer hat Schwierigkeiten, Frauen bei der Verhütung zu vertrauen. «In den meisten Fällen empfinden die Männer es aber als unfair, dass immer nur die Frau verhüten muss», sagt Sommer. Rund zehn Prozent aller Männer lassen sich ihm zufolge zur Vasektomie beraten – immerhin mehr als die Hälfte entscheidet sich dann für die OP.
So ähnlich war es auch bei Brandner. «Meine Frau hatte 13 Jahre lang verhütet, wir hatten drei gesunde Kinder. Da habe ich gedacht: Jetzt bin ich mal dran.» Bei dem unkomplizierten Eingriff holt der Arzt durch eine kleine Öffnung die Samenleiter hervor und klemmt sie an je zwei Stellen im Abstand von zwei Zentimetern mit Klammern ab. Dieser abgeklemmte Teil wird dann oben und unten abgeschnitten.
Im Anschluss werden die Enden elektrisch verödet, einmal umgeschlagen und ligiert – dabei wird der Samenleiter mit einer Fadenschlinge verknotet. Dann schiebt der Arzt die durchtrennten Samenleiter zurück und näht die kleine Schnittstelle in der Haut wieder zu.
Die OP selbst dauert nur fünf bis zehn Minuten und kostet zwischen 350 und 500 Euro, die die gesetzlichen Krankenkassen jedoch nicht übernehmen. Eine Vollnarkose ist nicht nötig, wird auf Wunsch aber angeboten. Nach dem Eingriff kann es mehrere Monate dauern, bis tatsächlich keine Spermien mehr im Ejakulat schwimmen.
Vor dem ersten Mal nach dem Eingriff hatte Brandner großen Respekt. «Ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob sich der Sex anders anfühlt oder ob ich womöglich Erektionsprobleme haben könnte.» Diese Ängste teilt er mit vielen anderen Patienten, sagt Sommer. Dabei ändert sich für den Patienten eigentlich nichts. Was manchmal bleibt, ist ein diffuses Gefühl, kein richtiger Mann mehr zu sein.
«Kaum etwas hängt so sehr an der Psyche wie die männliche Sexualität», erklärt Prof. Peter Falkai. Er sitzt im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Viele Männer erwarten ihm zufolge von sich selbst, im Bett immer zu funktionieren. Dazu gehört auch, dass die eigenen Sexualorgane unversehrt sind.
Ehrlichkeit zu sich selbst sei bei der Entscheidung das Wichtigste, fügt Falkai hinzu, der die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Ludwig-Maximilans-Universitätsklinik München leitet: «Wenn ich mir insgeheim wünsche, noch mal mit einer 20 Jahre jüngeren Frau durchzubrennen, ist eine Vasektomie vielleicht keine gute Idee.»
Auch wer sich voller Überzeugung hat sterilisieren lassen, kommt manchmal an den Punkt, an dem er die Entscheidung bereut. Der Eingriff lässt sich meist wieder rückgängig machen. Diese OP ist allerdings deutlich aufwendiger als die Vasektomie selbst – und sie hat ihren Preis: Rund 4200 bis 4500 Euro kostet die Operation unter Vollnarkose.
Nicht immer ist es allerdings möglich, eine Vasektomie rückgängig zu machen. Dann gibt es noch eine andere Option: Männer können sich stecknadelkopfgroße Gewebestückchen aus den Hoden entnehmen lassen, sagt Andrea Salzbrunn, die die Abteilung für Andrologie am UKE leitet. Daraus gewinnt man Spermien, die im Anschluss für eine künstliche Befruchtung verwendet werden können. Auch das ist nicht ganz billig: Etwa 2500 Euro kostet der ambulante Eingriff. Die Krankenkassen zahlen nur, wenn das Gewebe im Rahmen einer Krebsvorsorge entnommen wird.
Fotocredits: Felix Hörhager
(dpa/tmn)